#frapalymo no 12: puppenhaus

im linken hinteren eck
duckt sich eine welt zwischen
ersten advent und heilige drei könige

im hundertjährigen
schlaf gestapelt im raum der
blumentapete und spitzendecken

ist ihre geschichte geschichte
zwischen fünf bis elf
ausgeflüstert

im linken hinteren eck


das ist gedicht no. 12 von frau paulchen für den #frapalymo, und der impuls lautete: „bedichtet einen/euren speicher“.

30 tage, 30 gedichte, no excuses: wer beim #frapalymo mitmachen mag, kann dies entweder für sich tun und die impulse für die eigene schreibstube nutzen. oder im unten stehenden kommentarfeld seinen blog/webseite verlinken. oder das gedicht selbst über das kommentarfeld hochladen. oder auch einfach sonst einen kommentar hinterlassen. ähnlich über twitter mit link und kennung #frapalymo und @FrauPaulchen

34 thoughts on “#frapalymo no 12: puppenhaus

  1. Corinna says:

    unter meinem dach juchhe
    pfeift ein frischer wind
    ausgemistet ausgetrödelt
    was vergangen und vergänglich
    alles dieses
    wer-weiß-noch-woher-und-wohin-damit
    die essenz wohnt doch in mir
    eingewoben in die fasern meines seins
    spatz und meise
    und-ich-weiß-nicht-wer
    singen nun auf alten balken
    hoch oben ihr fröhlich lied
    (ich kann es deutlich hören –
    sogar vom keller aus)

  2. Bücherkisten
    beschriftet
    und archiviert
    manches ungelesen

    der Rest ein
    früheres Ich
    Laborgeräte
    Schriften und Kram

    wollten gerettet werden
    ein Plattenspieler
    Hefte
    dort Erinnerungskisten

    bloß nicht öffnen
    später einmal
    vielleicht
    wer weiß wozu

  3. Gerda Steger says:

    nicht dachbodengespeichert
    die honigtriefenden dinge
    die gehorteten schätze flammen-
    hautreste seelentröster mir

    in tiefen schachteln schlafen über-
    leben diese zeit-
    gereiften kleinen dinge:
    schmetterlinge im bauch!

    nicht dachbodengespeichert
    steinchen & eicheln
    streichelndes flüstern von
    trockenblumen blätterndes
    schweigen im atemlicht

      • Gerda Steger says:

        Danke, das freut mich, liebe Esther!
        Merkte eben, dass mir in der Hitze des Schreibgefechts die zweite Zeile (letzte Str. ) „entrutschte,“ d. h. dann richtig:

        nicht dachbodengespeichert
        meine diamanten:
        steinchen & eicheln
        streichelndes flüstern von
        trockenblumen blätterndes
        schweigen im atemlicht

  4. @sandrastrazzi says:

    Auf kinderleisen Zehenspitzen
    das schschsch-Fingerchen auf den Lippen
    bloss kein Knarzen von der Treppe

    der Blick in diesen Riesenraum
    gedeckt von kalten Ziegeln
    schnurgerade der Kamin

    ein dünnes Licht vom Giebelfenster
    an viel zu hohen Wäscheleinen
    die flauschigen Kaninchenfelle

    da! ein Kratzen flitzt vorbei
    geh nicht zu nah ans Feuerholz
    kein Licht und all die Spriessen

  5. FrauFrog says:

    Es reimt sich

    Der Speicher birgt Schätze
    alte Schulaufsätze
    Aussteuer-Geschirr
    und Kabelgewirr
    die Dichtung des Vaters
    das Spielzeug des Katers
    braune Koffer und Taschen
    eine Sammlung von Flaschen
    Matratzen und Decken
    alte Hüte mit Flecken
    verwitterte Dosen
    und Lederhosen
    einen leeren Karton
    unter Omas Sarong
    Tote Fliegen, en masse
    Osternester mit Gras
    bloß der Weihnachtsbaumständer
    steht nicht unterm Geländer
    war wieder mal schneller
    versteckt sich im Keller

  6. Esther Ackermann says:

    Brot der Nacht

    Auf dem Speicher
    Die Brotbackmaschine
    Zu suchen versprach ich
    Du nähmest sie mit nächstes Mal
    Auf der Durchreise

    Dreimal stehe ich auf
    Brotduft zieht herunter
    Lege mich wieder hin
    Lausche

    Ob sie klopft und knetet
    Auf dem Speicher
    Ob du sie noch gefunden hast
    Auf der Durchreise
    Der ewigen Krümelspur

  7. philosophina says:

    Die Tür zum Speicher

    Sägespänenstaub
    ein Duft aus anderer Zeit
    die Klappe einmal geöffnet
    macht er sich im Hause breit

    der große Lederkoffer
    gefüllt mit Opas altem Vinyl
    seit Jahren schon verschlossen
    keiner mehr was von ihm will

    die alte Holzstiege
    das Knarren kaum noch gehört
    klebt sie so lang an der Decke
    bis irgendwas im Haus im Weg steht und stört

  8. in kisten und fächern
    warten die briefe, viele
    briefe aus irgendwo
    briefe von irgendwem

    zu selten nehme ich
    ein paar briefe in die hand
    irgendwo und irgendwer
    entblättern ihre namen

    in den flachen papieren
    leben geschichten
    ich will nicht vergessen
    und behalte die briefe

  9. schuhkarton mit briefen

    ein tanzboden
    perlmuttervergilbter
    papiermäuler –
    angerissene zungen
    erwarten spaltlächelnd
    meine eröffnung:
    sehr geehrte damen und herren!
    bitte zur vorstellung –
    vorrätig ist hier
    das halbe leben.

  10. Ungestört stöbern

    Balanceakt von vier Pfoten
    zwischen
    Koffern voller Nostalgie
    plisseegefaltet
    seidenmalerisch
    Etage überspringend kippelt
    Geschirr das gute von Mama
    Oh Blumenübertopfsalat
    huch
    abgestürzt bringt´s Scherbenglück!
    Unwissend dieses
    Flügelwortes Trost
    kreischt NachbarsToni
    verschreckt verschämt
    ob seines Ungeschicks
    rast mittelgängig hinter
    untertauchend weg
    Döst später er
    im alten Puppenwagen
    zwischen Kissen schnurrend
    ein Auge halb geöffnet
    hoffend
    dass ich wieder gehe

  11. Keinen Dachboden habe ich
    Alles abgespeichert in Kopfschubladen
    Aufgepasst, die Holzeisenbahn kommt vorbei
    Das Schwesterchen durfte Godzilla sein

    Alles abgespeichert in Kopfschubladen
    Ein Bilderumzug passend zum Cowboykostüm
    Das Schwesterchen durfte Godzilla sein
    Die Kinderstimme klingt nach: Bau mit mir!

    Ein Bilderumzug passend zum Cowboykostüm
    Meine Tagebücher und eure Taufkleider
    Die Kinderstimme klingt nach: Bau mit mir
    Reise durch vergangene Fantasiewelten

    Meine Tagebücher und eure Taufkleider
    Aufgepasst, die Holzeisenbahn kommt vorbei
    Reise durch vergangene Fantasiewelten
    Keinen Dachboden habe ich

  12. Rike says:

    Speicherfüllend sammelwütig

    Alte Briefe, Babykleidung auch Omas Spielzeug,
    dachbodenlagernd
    Fotos Adressen Links auch Tweets
    leichterhand abgespeichert
    Ideen, Gefühle, Erinnerungen
    gespeichert im Kopf und doch

    Veränderungen immerzu
    naturgegeben
    Einstaubungen Verwandlungen
    alles verfärbt, veraltet oder
    verklärt

  13. speichersuche

    wohin mit dem trödel von gestern
    auf den speicher
    dann wird es leichter
    das heute vergessen

    morgen singen wir lieder
    auf dem speicher
    immer reicher
    uns selbst doch zuwider

    irgenwann im speicher
    die schätze vergessen
    vorratsumgeben
    verhungert indessen

  14. Ruth says:

    auf dem dach
    die knarrenden schritte
    wer buchstaben liebt
    ist richtig da
    stapelt die kisten
    wühlt in den erinnerungen
    und horcht

    den kindertagen
    dem paradies
    der nadelhüpfenden musik
    hört das lachen
    in den clownskostümen
    und die schmatzenden küsse
    in mamas hochzeitkleid
    vernimmt gespensterschrecken
    und geheimnisvolle banden

    und bleibt sitzen
    entdeckt die welt
    so wie sie sich
    damals
    gerne zeigte

  15. elbée says:

    dachkammer

    auf den dielen das licht
    streift schräg rechts
    von der dachluke herab :
    ein schein
    voll tänzelnder
    staubpartikel

    im halbdunkel hockt
    verschreckt
    mein alter
    uralter
    kinderkram :

    puppenstube dreistöckig
    kaufmannsladen
    modell (für was ?)
    eisenbahn aus holz
    guck mal: ein lederranzen
    mit füllfederhalter

    und : löschpapier

  16. Kleiner Floh says:

    Stufen
    knarzend, quietschend.

    Ein Erinnerungsschatz aus der Kindheit.
    Kisten und Schachteln. Leer und befüllt.
    Ein Koffer verstaubt, verpackt mit Fernweh.

    Hier.

    Werkzeug, Leiter, Eimer…

    Dort. Eine Baustelle.

  17. Vanni says:

    aufgehoben oben
    unterm dach ver-
    borgen, verbogener vers-
    bogen das zink-
    gebälk, wie welk
    durchlauchter wechsel-
    drechselklauster-
    raub-räuber mit russ-
    kanister, Zahnka-
    nickelbrillgesichter

    lichtgewitter
    im gebälk

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