Erkenntnisse über Berlin

Nach einem weiteren Aufenthalt in Berlin und sehr bewusstem Erleben der Stadt, bin ich zu folgenden Erkenntnissen gekommen:
Erstens hat Berlin ein anderes Verständnis von Sicherheit. Menschen tragen beim Fahrradfahren keine Helme, selbst Kinder radeln noch unbedeckt und unbeschwert durch die Gegend. Ein Helm auf dem Kopf fällt richtig auf. Mich wundert, dass es an dieser stark befahrenen Kreuzung, an der ich zwei Stunden lang in einem Café in Friedrichshain saß, nicht zu einem einzigen Unfall gekommen ist. Das wilde Durcheinander von Fahrradfahrern, Fußgänger, Autos, Straßenbahnen scheint System zu haben oder einen besonderen Schutz einer höheren Macht zu erfahren. Faszinierend. Und wenn mich in Zukunft mal einer überreden wollen sollte, Helm zu tragen, werde ich auf Berlin hinweisen und sagen, dort klappt es ja auch. In einer Großstadt.

Zweitens hat Berlin ein anderes Verständnis von Geld als der Rest der Republik, scheint mir. Eine Pizza – wohl gemerkt, eine ganze, nicht ein einzelnes Stück, 26 cm Durchmesser – kostet 2,50 Euro und ist lecker! Gut belegt und lecker! Das soll mal einer irgendwo nachmachen. Ich glaube, in einer anderen Stadt gibt es da gerade mal zwei Bissen dafür. Auch Pasta gab es, große Portionen, kleines Geld. Da scheint der Döner für 3,20 Euro richtig teuer gewesen zu sein. War aber auch Hackescher Markt. Lag vermutlich daran. Nein, im Ernst. Das Verständnis von Geld ist ein anderes. Nächstes Beispiel: Am Bankautomaten will ich Geld abheben. Bei uns fängt es mit 50 Euro an, dann werden einem in der Vorauswahl 100, 200, 250, 300 und meist 500 angeboten. Wenn ich mal 150 Euro abheben will, muss ich diese scheinbar ungerade Summe extra eingeben. In Berlin? Hier starten wir mit 20 Euro! Dann geht es über 50 zu 80 zu 100, 150 Euro. Ich glaube, 250 Euro war der höchste Betrag, der vorausgewählt war. Das sagt doch schon alles über die finanziellen Möglichkeiten der Menschen hier. Da passen auch die 2,50 Euro für die Pizza.

Drittens hat Berlin ein anderes Verständnis von Familienleben. Dieses Mal ist mir richtig aufgefallen, wie viele junge Frauen schwanger waren, ein Baby hatten oder ein Kind und erneut schwanger waren. Wenn Deutschland einen Babyboom hat, findet er in Berlin statt. Hier ruht wohl die Hoffnung der ganzen Republik. Meine zumindest. Und das schönste: Ein Kind scheint nicht wie sonst in den Himmel gehoben zu werden, vertätschelt, den schwangeren Bauch gestreichelt, die Schwangerschaft von A bis Z ausgeleuchtet zu werden. Es passiert und ist natürlich und fügt sich normal in den Alltag ein. Herrlich entspannt scheint das.

Viertens hat Berlin ein anderes Verständnis von Mode und Geschäften. Modisch hatte ich Berlin ja bereits mal eingeordnet unter „Alles geht“. Was man hier an bunten Tüchern, wild gemusterten Stoffarten, Netzstrümpfen, Hot Pants mit Fellstiefeln sieht – und das alles an einer Frau – ist unglaublich. Das spiegeln auch die Geschäfte wider, die ebenso bunt, vielfältig sind. Wer hier Jeans und Pulli anhat, fällt auf. Ist langweilig. Bei den Geschäften ist schön zu sehen, dass es hier in dieser riesigen Stadt all die Geschäfte gibt, die früher in Kleinstädten auch zu finden waren. Diese kleinen, feinen Läden mit Besonderheiten wie nur Küchenutensilien, Kinderkrams, Skaterbedarf etc. Hier findet man neben den großen Ketten auch noch das Besondere. Und das finde ich wunderbar.

Und schließlich fünftens: Berlin hat ein anderes Verständnis von warm und kalt. Was ich hier an einem herbstlichen Regentag Menschen mit Hot Pants, kurzen Röcken und nackten Beinen, T-Shirts und Tops habe laufen sehen: unglaublich! Auch sitzen bei dieser Kälte alle Berliner noch draußen, freuen sich über Straßencafés und ihre Bestuhlung oder fahren mit offenem Cabrio durch die Stadt. Alle, die mehr als zwei Lagen anhatten, müssen Touristen gewesen sein.

Selbstverständlich möchte ich nicht den Eindruck erwecken, Berlin ließe sich nur auf das beschränken. Aber die offensichtlichen Sachen wie mehr Kultur, mehr Andersartigkeit im Angebot, in den Menschen, in dem Umgang mit Fremden ist normal und weiß man über Berlin. Neu waren mir die anderen Punkte, und es ist schön, dass ich sie erleben durfte. Danke, Berlin. Ich komme wieder.

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