#frapalywo tag 7, text 7 – geborgte schlusszeile/geborgte worte

eins zwei und drei

I
gänzlich unvergnügt
saßen er und sie
am ufer und schwiegen sich an

zwei menschen ohne geschichte
nicht einmal ein ganzer tag
einte sie trennte sie
die nacht

wer steht nun als erster auf und geht
wer sagt das innerlichst längst ausgesprochene
adieu

II
gänzlich unvergnügt
sitzen er und sie
am tisch und schweigen sich an

zwei menschen mit geschichte
bereits mehr als ein jahrzehnt
einte sie die gewohnheit
trennt sie

sie steht als erste auf und geht
sagt nach all diesen jahren
das längst ersehnte
adieu

III
gänzlich vergnügt
sitzt sie im garten
und schweigt

ein mensch
die geschichte
sucht

sitzt und kennt
das glück oder
vielleicht auch nicht*

 

*kursiv: geborgte schlusszeile von hans magnus enzensberger aus „windgriff“

 

das ist tag 7, text 7 der #frapalywo zum impuls der geborgten schlusszeile von hans magnus enzensberger. es ist ebenso der abschluss dieser dichterwoche zum thema „geborgte worte“. wie fein, stark und berührend eure texte waren. ich danke euch sehr dafür.

wie es hier weitergeht, schreibe ich morgen. heute stehen eure texte im rampenlicht. ich danke euch fürs mitdichten, mitlesen, mitsein. von herzen und mit allen seelenwänden.

7 tage, 7 texte, 1 thema: wer bei der #frapalywo mitmachen mag, kann dies entweder für sich tun und die impulse für die eigene schreibstube nutzen. oder im unten stehenden kommentarfeld seinen blog/webseite verlinken. oder das gedicht selbst über das kommentarfeld hochladen. oder auch einfach sonst einen kommentar hinterlassen. ähnlich über twitter mit link und kennung #frapalywo und @fraupaulchen

34 thoughts on “#frapalywo tag 7, text 7 – geborgte schlusszeile/geborgte worte

  1. Rona Duwe says:

    Im Rückblick
    durch‘s Leben blättern
    und dieses Gefühl
    von Abend haben.
    Als wären
    schon alle Chancen verspielt
    und alles am Ende vergebens gewesen.
    Als wäre
    der Lebensinhalt
    Stolpern und Risse,
    wenig Konstanz.
    Schlaflose Sorgen.
    Doch immer noch
    lächelt das trotzige, freche Kind,
    dem ist
    Dein trauriger Rückblick egal.
    Es flüstert:
    „Vielleicht auch nicht*.“

  2. zwei
    zwei dinge
    braucht es

    sagt
    er
    eines abends

    es sind
    ahnung
    ahnung und tiefgang

    und dann
    stecken wir fest
    im kanal

    als wir jünger und du
    groß und ich klein. die zeit fällt
    vom rad. das rad

    von der achse. alles
    strebt der schwerkraft
    entgegen. und nun.

    die
    die brotscheiben
    von der wäscheleine

    den toaster
    aus dem klo. vater
    was erzählt der strom

    in den
    schmalen momenten
    zwischen der zeit

    ziehen die tage
    flussabwärts. wenn
    sie nicht. vielleicht auch nicht

    https://barcelonalien.wordpress.com/2019/02/08/oder-aber/

  3. Gerda Steger says:

    auf dem Weg zu dir

    vielleicht finde ich den Schlüssel
    die Innentür zu öffnen dir
    trostlos karge Wände
    lichtwarm zu streichen

    vielleicht finde ich auch das Schlüsselwort
    für deinen Kummerkasten verschlossen
    noch mit winterlichen Hungerfantasien

    vielleicht finde ich Himmel
    Schlüssel, einen leuchtgelben Schlüssel
    Blumenbund für deine leere Vase

    vielleicht schreibe ich ins Ätherblau auch
    den Farbton Wunsch für
    das Grau deines Innenfensters

    vielleicht finde ich im Flug Himmel
    Schlüssel Blumen Worte für dich
    vielleicht auch nicht*

    kursiv: geborgte Schlusszeile von Hans Magnus Enzensberger, „Windgriff“

    • Liebe Gerda, ich wollte dir nur kurz auf deine gestrige Anwort antworten 🙂 Freut mich sehr zu lesen, dass meine poetischen, italienischen Experimente ihren Weg finden. Danke und bis zum naechsten Mal.

  4. von @tauscher57:

    rauf runter kreuz und auch mal quer
    vorwärts immer weiter manchmal auch zurück
    du liebst hegst zweifel verwirfst zauderst gehst weiter
    neue liebe neues glück
    ist deine lebensphilosophie
    für einen moment des glücklich seins
    vielleicht auch nicht

  5. in den wiesen haben wir gesungen
    im mondschein getanzt
    eine hand in der anderen
    und wo war es nicht warm

    die fragen flossen, antworten auch
    das vertraute eine decke
    sternenvisionen
    wohin es uns nicht führte

    eine muschel, eine schale
    schneckenhaus und fühler
    im hart ein weich
    wie könnte das kein schutz sein

    vielleicht war das alles so
    vielleicht auch nicht

  6. Hina Artemon (@HArtemon) says:

    wenn ich neben einem stein stünde
    in theben am ufer des nils
    nach harmonie fischend
    und in metaphern watend
    bis zum einbruch der nacht
    und darin schwelgend darüber hinaus
    alles notierend, was ich erkenne

    ich würde das gute besser sehen
    ich würde den menschen schneller helfen
    ich würde das glück im arme sammeln

    ich würde erfinden und leuchten und wehen
    vielleicht auch nicht

  7. Hina Artemon (@HArtemon) says:

    Liebe Sophie, das war nicht das richtige Kommando für kursiv – kannst Du das bitte ändern? (Sorry.) Vielen, vielen Dank für die Lyrik-Woche, das hat wieder Riesenspaß gemacht – bin schon gespannt, wie es weitergeht.

  8. yumami says:

    heute für einen moment nur
    fühlte ich mich gesehen
    gehört und verstanden
    in meiner vielschichtigkeit

    heute für einen moment nur
    fühlte ich mich berührt
    gehalten und angenommen
    mit all meinen gefühlen

    heute für einen moment nur
    fühlte ich mich geliebt
    selbst von mir selbst
    vielleicht auch nicht

  9. Vor dem Zieleinlauf
    – der Geraden –
    fand sich (immer?)
    ein Seitenpfad
    ein Schleichweg
    einer der leiser war
    Ruhe versprach und Deckung
    Das war der Weg für Dich
    sagte man
    das das das
    war er (immer? oder?)
    vielleicht auch nicht

    („Vielleicht auch nicht“: geborgte Zeile aus „Windgriff“ von Hans Magnus Enzensberger)

  10. alles oder auch nichts

    Ich bin schwer wie die Vergangenheit
    Und schnell wie ein Komet
    Ich breche durch dein Dach
    Zertrümmere dein Haus
    Stehle dir alles, was du kennst

    Ich lege meine Hände um deinen Hals
    So eng und gut
    Vertrau mir, vertrau mir
    Ich bin alles, was du willst
    Gebe dir alles, was du brauchst

    Reiche ich dir nicht?
    Bist du nicht zufrieden?
    Zusammen können wir glücklich sein oder tot
    Wir sind alles
    oder vielleicht auch nicht

    https://jesstartas.wordpress.com/2019/02/08/tag-7-alles-oder-auch-nichts/

  11. von @katkaesk:

    Ob du meine Kälte spürst
    in deinem schneebedeckten Bart
    meine Finger fahren
    Schlittschuh darin
    dein Gesicht ist eine Eislaufbahn
    deine Augen tragen
    gefrorene Schneeflocken
    bloß dein Atem –
    so stell ich mir Geysire vor
    oder
    vielleicht auch nicht

  12. von @gedankentaenze:

    Vielleicht erkennst du und du,
    dass du und du, dass ihr
    aus dem selben Holz geschnitzt
    Vielleicht lernst du und du
    zu verzeihen
    was Worte und Gesten
    an Liebe zerstört
    Vielleicht, ein Wunschtraum nur
    Vielleicht auch nicht*

  13. lose_gedanken says:

    Vielleicht haben wir uns nie geliebt.
    Vielleicht lebten wir eine Illusion – jeder für sich.
    Vielleicht haben wir zu viele Worte gemacht
    und einander doch zu wenig gesagt.
    Vielleicht wäre alles anders gekommen.
    Vielleicht.
    Vielleicht auch nicht.

    #frapalywo Tag 7

  14. Ein Rätsel gabs
    im Freundeskreis
    zu lösen
    bei einem guten
    Tropfen
    und munterem Geschwätz
    rieten die Kumpane
    viel und falsch:
    „Mein erstes
    ist nicht wenig,
    mein zweites
    einer Feder gleich
    und dann
    zusammen
    sind wir
    unbestimmt“
    Die Lösung
    fand sich
    im Morgendämmer
    zwischen
    Wein und Broten
    in der Antwort
    auf die Frage.
    Ob ich wiederkomme?
    blieb ich unbestimmt
    weinseligen Blickes
    bevor ich vielleicht
    auf langem Wege
    heimging.
    Vielleicht auch nicht.

    kursiv geborgt aus Hans Magnus Enzensbergers „Windgriff“

    • Es ist vollbracht. Der letzte Tag von einer so kreativen Woche, an der ich leider, leider nicht so fleißig teilgenommen habe wie ich es hätte wollen. Manchmal ist das eben so. Ich habe diese Woche hier tolle Texte gelesen und Sophies Einfallsreichtum bewundert. Hat mir wieder große Freude gemacht, dabei zu sein. Wenn eben auch nicht an jedem Tag. Ich schicke diese Gruß, angehängt an mein letztes Gedicht zu frapalywo an alle mit dem Wunsch, dass wir uns wiedertreffen und nicht nur „vielleicht“. Vielen Dank an dich, Sophie, für all deine Ideen und deine feedbacks. Und Danke an alle frapalywoistinnen – schön, dass es euch gibt.
      Liebe Grüße
      Margret

  15. elbée says:

    überzeugung

    was wir alles ändern werden
    durch unsere worte
    mit guten taten

    das geht auf keine kuhhaut
    wie auch ? wir leben
    seit langem vegan

    wir sind bessere menschen
    werden dafür gefürchtet
    oder geliebt oder

    vielleicht auch nicht

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