Adventskalender: Türchen 18

Tannenbaum
Ich stehe vor unserem Tannenbaum. Wie immer ist er zimmerdeckenhoch, dicht benadelt und tiefgrün. Bestimmt wird er bis weit in den Januar schön und kräftig sein.

Mein Vater hat ihn von dem netten Mann gekauft, der hinter unserem Supermarkt steht und vier Wochen vor Weihnachten beginnt, seine Bäume zu verkaufen. Dieser Mann ist sehr nett und herzlich. Zu jedem Baum kann er eine kleine Geschichte erzählen, und fast ist es so, als ob er die Tannenbäume eigentlich nicht gerne hergeben möchte. Er hat Freundschaft mit ihnen geschlossen und will sie gut aufgehoben wissen in den Häusern anderer Menschen. Dem ein oder anderen besonders schönen Exemplar gibt er auch schon mal einen Namen. Wir hatten zum Beispiel schon einen Fridolin, eine Berta und einmal auch einen Friedrich der Große. Der hatte seinen Namen bekommen, weil er im Vergleich zu allen anderen großen Bäumen noch ein Stück mit seiner Krone hinausgeschossen war. Hoch hinaus in luftige Höhen.

„Hat unser Baum dieses Jahr auch wieder einen Namen?“, fragte ich Papa, als er uns den Baum brachte.

„Nein. Davon hat er nichts gesagt. Aber er meinte, er hätte ihn tief aus dem Inneren des Walds herausgeschlagen und ihn von dort geholt, wo sonst eigentlich eher Dunkelheit und Schwärze herrschten.“

„Dann müssen wir ihn reich mit Lichtern und Lametta behängen, damit er wenigstens das eine Mal in seinem Leben in die Helligkeit kommt.“

Und mit diesen Erinnerungen stehe ich nun vor unserem Baum, die große Schachtel mit unserem Baumschmuck neben mir, die fast so groß ist wie ich, und meine Mutter auf der Leiter, um die Lichterketten um den Baum zu wickeln. Wir sparen nicht mit Schmuck und Tand, mit Silber und Sternchen. Nach ein paar Stunden sticht das dunkle Grün noch gut sichtbar unter der Dekolast hervor, und der Baum verzaubert mit seinem Kontrast unsere Wohnung.

Dann stecken wir das erste Mal die Lichterkette in die Steckdose. Der Baum strahlt und erfreut sich und uns mit seiner Pracht. Es ist, als hätte er im tiefen, dunklen Wald auf diesen einen lichten Moment gewartet, und ich weiß, dass ich ihn Lucia nennen werde.

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