Sandor Marai ist einer meiner absoluten Lieblingsautoren. In „Himmel und Erde“ greift er Betrachtungen, Ideen, Gedanken auf und stellt sie mit einer derartigen Sprachkraft dar, dass ich oft atemlos vor Faszination bin. Gestern habe ich wieder darin geblättert – ich schlage abends meist eine beliebige Seite auf und lese dann ein oder zwei Textchen, quasi als Belohnung für den zurückliegenden Tag – und ein echtes Prachtstück an Gedankengut entdeckt.
Es heißt Liebesgabe. Übrigens: Auf Visual Worlds habe ich diese Gedanken in Fotos umgesetzt gefunden – vielen Dank auch für diese Entdeckung.
Ich erlaube mir, Marai hier zu präsentieren und damit hoffentlich Lust auf viel mehr von ihm zu machen.
Liebesgabe
Ich falte den September vorsichtig auseinander und finde darin Altweibersommer, Theaterpremieren, Klatsch, dichten, honigsüßen Sonnenschein, Dahlien in Gold, Rot, Grün und Gelb, die wie Raketen und kreisende Sonnenscheiben auf einem Jahrmarkt glitzern und funkeln, ein wenig Weisheit, damit alles auch seinen Sinn hat, Vewunderung, wozu das Ganze, wenn es dann doch so endet, klingende Weintrauben, Birnen aus Kristall, edle Lichtbrechungen der Nachmittage, den Rest des Waldes und den Nebel, der abends gegen sechs alles verhüllt. Dies alles überrascht und rührt mich wie eine Liebesgabe.