klösterliche pracht und prunk und klösterliche hermeneutik in der kommenden woche. ich bin im schwäbischen kunstsommer in irsee angekommen. wir sind 130 kunstbesessene, kunstinteressierte, und kunstneugierige, die sich jetzt in dieser abgeschiedenheit des klosters zusammenraufen.
der erste eindruck der anlage ist gigantisch und tröstet darüber hinweg, dass dies knapp 125 jahre lang eine irrenanstalt war. bis 1972. und dann frage ich mich mal wieder, was zuerst war: name oder funktion der einrichtung: irsee oder irrenanstalt hier im dorf, in dem es einen see gibt? na? na? jedenfalls kann man sich das verrückte mit all dem pomp, dem stuck, den holvertäfelten decken kaum vorstellen und doch ist es tröstlich zu wissen, dass auch die patienten hier auf all das blicken konnten. das verrückte in der kunst – passst dann vermutlich auch zum ort – wo alles möglich ist, alles darf, der raum für das besondere geschaffen ist. und doch hinterlässt es wehmut und fragen. das euthanasie-denkmal neben der klosterkirche zum beispiel, das an die opfer des zweiten weltkriegs erinnert. nun? der blick zurück lässt ja unweigerlich den blick auch auf das hier und jetzt richten. wie viel verrücktheit darf sein? wie viel erlaubt die gesellschaft, und wie gehen wir heute mit dem anderen um? das anderssein in der kunst, in ihrem ausdruck jedenfalls ist hier in dieser woche gewollt.
wir befinden uns wirklich in einer hermeneutischen abgeschlossenheit, die außenwelt ist quasi in den nächsten acht tagen nicht existent. es ist, als würden wir das besondere hier in diesen räumen lassen wollen. geschlossene gesellschaft steht an der großen holzpforte, und schon wird sartre lebendig, nur hoffentlich ist die hölle in diesem fall nicht wirklich die anderen.
es gibt in irsee einen bäcker und zwei banken. man kann also geld holen, aber nicht viel damit kaufen. von der organisation gibt es darum einen best boy (nicht meine bezeichnung!), der einmal am tag einkäufe für uns erledigt, wenn wir wollen. die abgeschlossenheit ist programm, und irgendwie freue ich mich darauf. es scheint fast, als würden auch unsere ideen diese räumlichkeiten für acht tage nicht verlassen wollen. macht also die tore zu, damit kreativität gar nicht erst entweichen kann, wir sie zu papier, auf leinwände, in den tanz oder der fotografie bringen können.
der ablauf hier bettet mich jetzt schon ein in eine regelmäßigkeit die raum für freie gedanken lässt. um 7.45 gibt es, sofern man möchte, einen impuls am morgen in der klosterkirche nebenan. eigentlich soll er durch die teilnehmer gestaltet sein, ich kann also bereits anfangen, nach passenden gedichten zu suchen. heute am ersten tag gibt es eine organistin aus dem dorf. ich bin gespannt. von acht bis neun ist dann frühstückzeit, dann geht es in die meisterklassen. von 12 bis 13.30 uhr ist zeit fürs mittagessen und von 13.30 bis 15 uhr gibt es mittagsgespräche mit den meistern der bildenden künste. sie stehen für fragen zu werken, zu techniken, zu material zur verfügung. ich bin gespannt. dann wieder von 15 bis 18 uhr die meisterklassen. das abendessen wird gemeinsam eingenommen um 18 uhr, und um 20 uhr gibt es dann abendgespräche mit den meistern der nicht-bildenden künste. heute ist direkt die lyrik dran, ich bin gespannt. und dann wird vermutlich weiter ausgetauscht und getrascht.
ich erhoffe mir viele neue eindrücke und inspirationen. meine sinninfusionsantennen sind bereits auf habacht-stellung und als schwamm sauge und sauge und sauge ich. wir werden es gut haben in unserer hermeneutischen abgeschiedenheit und verschlossenheit, die am ende dieser woche sich der außenwelt wieder öffnen darf. wenn das verrückte ans tageslicht kommt, wir in der kunstsommernacht am 11. august unsere werke zeigen und dann angestarrt und begutachtet werden, in dem, was wir erreicht haben. oja, man könnte auch heute diese wunderbaren parallelen zwischen ir(r)see weiter ziehen. wesentlich ist: es ist unsere woche.